Moderner Werkunterricht geht weit über die Hobby-Ebene hinaus. Die Studienschwerpunkte umfassen verschiedene handwerkliche Tätigkeiten und den Umgang mit Geräten und Maschinen. Das Fach vernetzt analoge mit digitalen Techniken und stellt die praktische Arbeit in der Schule in einen kreativen, gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Kontext. Werken präsentiert sich damit als zukunftsgewandtes Fach, das auf traditionellen manuellen Fähigkeiten ebenso wie auf neuesten technischen Entwicklungen basiert.

Warum Werken auf Lehramt studieren?

Weil du als Generalist dein theoretisches Wissen immer in der Praxis anwendest und mit deinen Schülerinnen und Schülern unmittelbar die gebauten Objekte, Maschinen oder Modelle siehst. Weil du je nach Projekt deine Zeit in lebhaften Werkräumen oder draußen verbringen wirst. Und weil kein Tag dem anderen gleicht. Denn so wie deine Schülerinnen und Schüler den Unterricht kreativ mitgestalten, so unterschiedlich werden die Ergebnisse ausfallen.

Nicht zuletzt, weil du gute Berufsaussichten als Lehrer in Sachsen hast: Grundschullehrer und Sonderpädagogen sind mit oder ohne Schwerpunkt Werken gefragt. An einer Grundschule wirst du fächerübergreifend jüngere Kinder mit Augenmerk auf Technik im Alltag unterrichten. Als Sonderpädagoge wiederum arbeitest du in einer Förderschule oder in einer Regelschule mit inklusivem Schwerpunkt. Dort kannst du Kinder und Jugendliche in ihren motorischen und kognitiven Fähigkeiten stärken.

Du wirst wahrscheinlich sogar aus mehreren Angeboten wählen können, insbesondere, wenn du dich nach dem Examen für eine Stelle in ländlicheren Regionen bewirbst.

Praktische Erfahrung vor und während des Studiums.

Einen Lötkolben von einem Joystick unterscheiden zu können, ist bestimmt eine gute Voraussetzung für das Werken-Studium – Theoretiker wählen besser ein anderes Studienfach. Ein gutes Verständnis für Physik, Chemie, Biologie und Wirtschaft und ihre praktische Anwendung ist ebenfalls wünschenswert. Sechs Pflichtpraktika erwarten dich ohnehin im Rahmen deines Grundschulstudiums in Sachsen, aber vielleicht überlegst du, vorab länger in dein künftiges Fach und die Aufgabengebiete im Beruf hineinzuschnuppern? Freiwillige Praktika in einer Schule sind möglich. In einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) Pädagogik an einer Schule hast du vor Studienbeginn ebenfalls die Möglichkeit herauszufinden, ob du deine Erwartungen an den Lehrerberuf und die Schulrealität zueinander passen.

Neben didaktischen Methoden lernst du im Studium viel für deine praktische Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern. Projektmanagement und Arbeitssicherheit sind ebenfalls Teil deines Studiums.

Je nach Klassenstufe sind die Aufgaben, die du mit den Schülerinnen und Schülern bearbeitest und die Projekte, die du mit ihnen umsetzt, unterschiedlich komplex: Mit jüngeren Grundschülerinnen und -schülern wirst du eher aus Papier und Holzspieß einen Luftschrauber oder ein mittelalterliches Spielzeug mit Leinen, Leder und Steinen bauen. Mit älteren Schülerinnen und Schülern kannst du etwa eine Miniatur-Wasserkraftanlage oder ein Fachwerkhaus mitsamt Holzkonstruktion planen und errichten. In jedem Fall bist du dicht dran an der Lebensrealität deiner Schülerinnen und Schüler – wenn du beispielsweise mit ihnen einen Spielplatz erkundest, die Konstruktion der Geräte analysiert und sie mit ihnen im Modell nachbaust.
Schraubendreher sind ein typisches Werkzeug im Werkunterricht

Grundschullehramt oder Sonderpädagogik?

An den sächsischen Universitäten kannst du Werken auf Grundschullehramt oder auf Lehramt Sonderpädagogik studieren. In Kombination mit den sogenannten Studierten Fächern wie Deutsch und Mathematik kannst du in Chemnitz, Dresden und Leipzig im Rahmen der vier zusätzlichen Grundschuldidaktiken einen weiteren Schwerpunkt auf Werken, Kunst, Musik oder Sport legen. Schau dir die Möglichkeiten, Fächer miteinander zu kombinieren, im Detail an; sie variieren von Hochschule zu Hochschule. Die Universität Leipzig bietet außerdem als einzige der sächsischen Unis Werken als eine Grundschuldidaktik im Lehramtsstudiengang Sonderpädagogik an. Du solltest dich außerdem genau über weitere Studienvoraussetzungen wie einen Numerus clausus (NC), Praktika für das Lehramtsstudium oder ein phoniatrisches Gutachten für den Sprechberuf Lehrer informieren – damit du das zu dir passende Studium findest und zügig durchstarten kannst.

Die drei Universitäten in Sachsen und die Studiengänge, in denen du Werken studieren kannst:

Kneifzangen im Werkunterricht

Du weißt nicht, welches Fach du studieren sollst?

Neulich sagte ein Kunstlehrer im Gespräch: „Kunst ist die Mutter aller Fächer!“ Was er damit meint? Dass man für jedes andere Fach Voraussetzungen und Fähigkeiten aus dem Bereich Kunst mitbringen muss, die im späteren Beruf von großer Bedeutung sind. Sei es in der Architektur, im Bauwesen, Grafikdesign, im Handwerk – die Liste lässt sich endlos fortführen.

 

Und doch ist besonders das Fach Kunst stark vom Lehrermangel in Sachsen betroffen. Schon heute muss an sächsischen Schulen Kunstunterricht ausfallen. Ihr wollt dem entgegenwirken? Ihr habt euch immer schon gerne künstlerisch betätigt und interessiert euch für alles rund ums Thema Kunst? Dann werdet Kunstlehrerin oder -lehrer in Sachsen! Wir sagen euch, wie.

Schnell zusammengefasst: die Studieninhalte

Wenn du dich für Kunst, Kunstgeschichte und -theorie begeistern kannst und jungen Menschen die Leidenschaft dafür vermitteln möchtest, dann ist das Studium Kunst auf Lehramt sicher das Richtige für dich. Die Studienschwerpunkte liegen im künstlerisch-praktischen, kunstpädagogischen, didaktischen sowie kunstwissenschaftlichen Bereich. Darüber hinaus beschäftigst du dich mit der künstlerischen Produktion und der Kunstrezeption. Du wirst ideal darauf vorbereitet, deinen zukünftigen Schülerinnen und Schülern die Welt der Kunst altersgemäß nahezubringen.

 

Du setzt dich intensiv mit ausgewählten Epochen und Theorien des künstlerischen Gestaltens und Rezipierens sowie mit künstlerischen Positionen auseinander. Analoge und digitale Kunst sowie ihre gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und philosophischen Kontexte spielen ebenfalls eine elementare Rolle.

 

Natürlich vermittelt das Lehramtsstudium Kunst das nötige (fach-)didaktische und pädagogische Wissen, um dich auf dein Berufsleben als Kunstlehrerin oder -lehrer in Sachsen vorzubereiten. 

 

An der TU Dresden wirst du zusätzlich Einblicke in die Kunst- und Medientheorie sowie in die Kunst- und Medienpraxis erhalten. Zudem gehören interdisziplinäres und künstlerisch-ästhetisches Arbeiten zu den Schwerpunkten des Studiums.

 

Ziel des Kunststudiums auf Lehramt ist es, problem- und handlungsbewusste Lehrerinnen und Lehrer auszubilden, die zielorientiert ihren Schülerinnen und Schülern die komplexe Welt der Kunst, der Künstlerinnen und Künstler sowie der verschiedenen Epochen beibringen.

Wichtige Voraussetzung für das Studium: Kreativität

Eine wichtige Voraussetzung für das Lehramtsstudium Kunst: Kreativität – selbstredend, sowie ein allgemeines und vertieftes Interesse an künstlerischen Themen. Eigene künstlerische Aktivität ist unumgänglich. Teamwork ist außerdem ein Kompetenzbereich, in dem du stark sein solltest – sei es im Studium in der Kooperation mit deinen Kommilitoninnen und Kommilitonen, später im Beruf mit deinen Schülerinnen und Schülern sowie in der Zusammenarbeit mit dem Kollegium.

 

Achtung: Eine Mappe mit eigenen Studien und Skizzen, gefolgt von einer Eignungsprüfung, wird häufig Voraussetzung für eine Zulassung sein!

 

Informiere dich auf den Seiten der sächsischen Universitäten, welche Zugangsvoraussetzungen genau auf dich zukommen:

Du hast allgemeine Fragen zum Lehramtsstudium?

Ob als Lehrer in der Oberschule Oelsnitz oder als Pflegevater zuhause: Für Immanuel Bittrich sind Kinder das Wichtigste und der Mittelpunkt seines Lebens. Bei ihm finden sie immer ein offenes Ohr. Deshalb liegt dem Fachlehrer für Mathematik und Technik eine zukunftsorientierte Bildungspolitik in Sachsen besonders am Herzen.

 

Vor 61 Jahren wurde Immanuel Bittrich in der damaligen DDR, genauer gesagt in Oelsnitz im Vogtland, geboren. Sein Vater besaß eine private Schlosserei, die Familie war Mitglied in der Kirche, so auch Immanuel. Von 1969 bis 1979 besuchte er die POS Oelsnitz. 1982 beendete er seine Facharbeiterausbildung mit dem Abitur, von dem Kirchenmitglieder in der DDR meist ausgeschlossen waren. Im selben Jahr zog er nach Chemnitz, das damals noch Karl-Marx-Stadt hieß, um Lehramt zu studieren. Nach fünfjährigem Studium schloss er die Universität als Diplomlehrer für Polytechnik ab. Seit fast 40 Jahren unterrichtet er nun an sächsischen Oberschulen.

 

Immanuel sagt, dass er trotz der Schwierigkeiten in der DDR schon immer Lehrer werden wollte. Es sei eine Berufung, die er bis heute spüre: „In der DDR gab es bestimmte politische Bedingungen, deshalb musste mein Weg zum Lehrerberuf über Umwege führen. Es war immer mein großer Wunsch, Lehrer zu sein, und ich habe dafür gekämpft.“

 

Privat und als Lehrer gehört Immanuel zu den sportlichen und aktiven Zeitgenossen: Er fährt das ganze Jahr über Rad und erkundet mit dem Motorrad die sächsische Landschaft sowie die Pässe in Südtirol. Er taucht, fährt Ski und ist begeisterter Musiker am Klavier, Saxofon oder an der Trompete. Und als wäre das nicht genug, entstehen in der eigenen Schlosserwerkstatt auch schon einmal ein Balkon, eine Treppe, oder ein geschwungenes Tor aus Metall.

Dringend gesucht: Lehrernachwuchs an der OS Oelsnitz

Immanuel ist seit 1992 Fachlehrer für Mathematik und Technik an der OS Oelsnitz. Neben seiner Lehrtätigkeit unterrichtet er die Bläserklassen der Schule im Klassenmusizieren. Außerdem leitet er eine Fahrrad-AG, in der er den Schülerinnen und Schülern die Reparatur und Wartung von Fahrrädern beibringt. Darüber hinaus ist er Beratungs- und  Klassenlehrer und wird regelmäßig in den Personalrat der Schule gewählt.

 

Immanuel wollte von Anfang an bewusst in einer Oberschule arbeiten: „Das war eine persönliche Entscheidung, weil ich Praktiker bin und so direkt mit den Kindern arbeiten kann. Als ich vor dem Studium im Betrieb meines Vaters ausgeholfen habe, habe ich schnell gemerkt, dass mir das Praktische und das Erklären liegen. Schon damals hat es mir Spaß gemacht, den jüngeren Nachbarskindern etwas beizubringen.“

 

Die aktuelle Situation an seiner Schule bereitet dem engagierten Lehrer Sorgen: „Wir haben schon jetzt Schwierigkeiten, den Unterrichtsbedarf zu decken. Ab kommendem Schuljahr gehen die 8. Klassen alle zwei Wochen für einen Tag in einen Betrieb in der Region, um dort ein Praktikum zu absolvieren. Das entlastet die Unterrichtsversorgung und die Schülerinnen und Schüler müssen trotzdem nicht zu Hause bleiben, sondern sammeln praktische Erfahrungen fürs Leben und vielleicht sogar für die spätere Berufswahl.“

 

Doch das Tauziehen um die Abdeckung sämtlicher Stunden reicht trotz aller Bemühungen langfristig nicht aus. Eine Zeit lang setzte Immanuel große Hoffnungen in die Quereinsteiger. Doch deren Zahl würde bei weitem nicht mehr ausreichen, weiß er. Ginge die Entwicklung so weiter, werde es in einigen Jahren nur noch circa 13 von ursprünglich 43 Lehrerinnen und Lehrern an der Oberschule in Oelsnitz geben.

Leidenschaften auch jenseits vom Unterricht weitergeben

Immanuel steht beispielhaft dafür, dass der Lehrerberuf keine Einbahnstraße ist, sondern viele Möglichkeiten bietet, sich selbst einzubringen, Schule zu gestalten und eigene Leidenschaften an die Schülerinnen und Schüler weiterzugeben.

 

Seit rund 18 Jahren gibt es an der OS Oelsnitz die Musikklassen, in denen Schülerinnen und Schüler mit musischem Profil unterrichtet werden. Alle spielen mindestens ein Blasinstrument und können sich für 20 Euro im Jahr ein Instrument ausleihen. Ihre Stücke lernen sie  zunächst individuell mit Musiklehrern einer Musikschule, bevor sie sich bei Immanuel und zwei weiteren Kollegen zum Klassenmusizieren treffen und die Einzelstücke im Orchester einstudieren. „Musik verbindet ähnlich wie eine Sportmannschaft. Die Kinder müssen individuell und im Team Leistung bringen. Das ist toll“, findet Immanuel.

Doch Immanuel ist nicht nur ein musikbegeisterter Lehrer, sondern auch ein sportbegeisterter. Alle 14 Tage organisiert er einen Bike-Kurs – und das schon seit 20 Jahren. Die Schülerinnen und Schüler lernen, Fahrräder zu reparieren, mit Werkzeugen umzugehen und alten Drahteseln ein neues Leben zu schenken – Upcycling und Nachhaltigkeit par excellence. „Da gehe ich total auf, das ist für mich keine Anstrengung. Und ich kann den Kindern etwas mitgeben, das sie zu Hause vielleicht nicht vermittelt bekommen.“ Ein lokaler Fahrradladen unterstützt Immanuels Kurs. „Wenn das Wetter mitspielt und die Räder zusammengebaut sind, machen wir eine Tour durch das schöne Vogtland. Das stärkt unser Miteinander.“

Immanuel Bittrich und sein Bike-Kurs
Immanuel (links) mit zwei Schülern seines Bike-Kurses
Weihnachtskonzert in der St. Jakobikirche Oelsnitz
Immanuel (zweite Person von rechts) beim Weihnachtskonzert in der St. Jakobikirche Oelsnitz

Individueller, kreativer, persönlicher: Lehrer auf dem sächsischen Land

Immanuel hat in Chemnitz studiert, aber für ihn war von Anfang an klar, dass er in seine ländliche Heimat nach Oelsnitz / Vogtland zurückkehren würde. Heute wohnt er dort in seinem selbst umgebauten Haus in einer Siedlung direkt am Berg mit Blick auf die Kreisstadt. Die Kleinstadt mit viel Natur und den „gemütlichen Menschen“, wenig Hektik und viel Gemeinschaft, wie er sagt, hat für ihn bis heute nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. „Wir haben ein schönes Umfeld zum Leben und Lernen. Für Kinder ist es besonders schön mit den vielen Spielplätzen und der reichen Natur.“

 

Nicht nur das Leben, sondern auch das Unterrichten auf dem Land hat für Immanuel besondere Vorzüge, um seiner Kreativität auch bei der Unterrichtsgestaltung freien Lauf zu lassen: „Man kann kreativer sein als in der Stadt. Im Fach Kunst zum Beispiel kann man einfach vor die Tür gehen, Holz sammeln, es trocknen und direkt weiterverarbeiten.“

 

Einzigartig ist auch sein Verhältnis zu den Eltern seiner Schülerinnen und Schüler. Als Klassenleiter kennt er viele von ihnen gut und besucht die Familien sogar zu Hause. Das hat er aus DDR-Zeiten übernommen, in denen solche Besuche üblich waren. „So versuche ich, die Familien über meinen Unterricht hinaus zu unterstützen. Kinder sind einfach das Wichtigste für mich“, betont der verheiratete Lehrer, bei dem selbst ein leibliches und drei Pflegekinder behütet aufwachsen konnten.

Der Lehrerberuf: Handwerk mit viel Fingerspitzengefühl

„Der Lehrerberuf ist wie ein Handwerk, zu dem verschiedene Fähigkeiten gehören. Man braucht ein feines Fingerspitzengefühl für den Menschen hinter dem Schüler. Der Schüler als Mensch soll von uns Lehrern als Menschen lernen“, findet Immanuel. Doch nicht allein die Schüler kämen in die Schule, um von den Lehrern zu lernen. Dasselbe gelte auch umgekehrt: „Die Schüler unterstützen mich und zeigen mir meine Fehler! Viele haben eine unglaublich hohe Sozialkompetenz, die man sehen und fördern muss.“

 

Darüber hinaus schätzt Immanuel die Freiheiten, die ihm sein Beruf bietet. „Ich kann mir meine Zeit selbst einteilen, auch wenn die groben Strukturen natürlich vorgegeben sind. Aber ich kann trotzdem mehr oder weniger frei entscheiden, wann ich mich selbst zum Beispiel mit Klassenarbeiten ‚belasten‘ möchte. Das ist ein großer Vorteil des Lehrerberufs, den man aber auch zu nutzen wissen muss.“

„Teamgeist! Einzelkämpfer können wir nicht gebrauchen“

Immanuel beschreibt sich als ‚ehrlich‘ und ‚frei heraus‘. „Aber vor allem muss man ‚zackig‘ sein! Und sich genauso verhalten, wie man es von den Schülern erwartet: identisch und ehrlich.“ Man müsse Situationen im Unterricht rechtzeitig richtig einschätzen können, um angemessen zu reagieren. Dürfe das Ruder nicht aus der Hand geben, müsse als Autoritätsperson konsequent sein und zu seinem Wort stehen: „Je mehr man die Kinder im Sack hat, desto mehr Freiheiten kann man geben.“

 

Welche zukünftigen Kolleginnen und Kollegen wünscht sich Immanuel? Solche, die den Kontakt zu den Kindern halten: „Das ist das Wichtigste!“ Die das Menschliche mit erfolgreicher Wissensvermittlung und guten Fachwissen verbinden können: „Lust und Liebe zur Arbeit mit Kindern, Teamgeist! Einzelkämpfer können wir nicht gebrauchen.“

 

Aufgeschlossenheit und Interesse an Kindern und der jungen Generation zählten ebenso: „Das bringt einen nur weiter. Wichtig ist aber: Du musst der Chef sein, aber nicht nur. Du musst den Schülern das Gefühl geben, dass sie etwas können und dass wir alle gemeinsam lernen.“ Man müsse „am Ball bleiben“ und Ansprüche an sich und an andere haben. Hoffnung und Zuversicht sind Immanuel ebenfalls wichtig. Es gehe darum, neue Generationen zu begleiten: „Man muss seinen eigenen Frust an der Klassenzimmertür abgeben. Als Lehrer muss man eine starke Persönlichkeit sein, um den Kindern in der Schule Beständigkeit zu garantieren.“

 

Immanuels Rat an alle am Lehrerberuf Interessierten: Ausprobieren, Praxisluft schnuppern, ein FSJ machen. „Jeder, der Interesse hat, kann sich gerne bei mir melden und in einer Unterrichtseinheit hospitieren!“ Denn wie die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wirklich geht, das lerne man im Studium nur bedingt, so der leidenschaftliche Lehrer und fürsorgliche Familienvater.

Du möchtest mehr über das FSJ Pädagogik erfahren?

An den beruflichen Schulen in Sachsen fehlt es an Lehrernachwuchs. Ein Grund dafür könnte sein, dass viele Studieninteressierte diese Schulart gar nicht kennen: Wer selbst nie an einer beruflichen Schule gelernt hat, zieht diese Schulart bei seiner Studienentscheidung möglicherweise nicht in Betracht.

Die TU Dresden hat verschiedene Ansätze entwickelt, um den Einstieg in das Lehramt an berufsbildenden Schulen zu erleichtern. Diese richten sich sowohl an Abiturienten, Techniker und Meister als auch an Schüler mit Fachhochschulreife:

Option 1: Lehramt für berufsbildende Schulen

Das Studium für das Lehramt an berufsbildenden Schulen kann mit oder ohne Berufserfahrung aufgenommen werden und vermittelt wichtige Grundlagen für die Arbeit als Lehrkraft an berufsbildenden Schulen oder in der Erwachsenenbildung. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist von Vorteil, aber keine zwingende Voraussetzung.

 

Für die Zulassung zur Ersten Staatsprüfung ist der Nachweis eines mindestens einjährigen Berufspraktikums in der gewählten Fachrichtung (z. B. Bautechnik, Elektrotechnik, Metall- und Maschinentechnik) erforderlich, wobei eine fachlich einschlägige abgeschlossene Ausbildung angerechnet wird.

 

Das Berufspraktikum soll praktische Einblicke in das Berufsleben geben und muss, sofern nicht bereits vor dem Studium vorhanden, zusätzlich zum regulären Studium absolviert werden.

Option 2: Kooperative Ausbildung im technischen Lehramt

Praktische Erfahrungen in einer beruflichen Fachrichtung sind für eine spätere Lehrtätigkeit unerlässlich. Studierende, die über keine oder nur sehr geringe Berufserfahrung verfügen, können sich dennoch für das Lehramt an berufsbildenden Schulen qualifizieren, da für die gewerblich-technischen Fachrichtungen eine kooperative Berufsausbildung im Rahmen des Lehramtsstudiums angeboten wird.

 

In einer verkürzten einjährigen betrieblichen Ausbildung kann ein HWK- oder IHK-Berufsabschluss erworben werden. Die Regelstudienzeit verlängert sich um zwei auf zwölf Semester.

 

Mit dieser Studienoption wird der Zugang zum Lehramt an berufsbildenden Schulen in Sachsen auch für Personen erleichtert, die zu Beginn des Lehramtsstudiums nicht über die notwendigen berufspraktischen Erfahrungen verfügen.

Option 3: Option Studium des technischen Lehramts

Mit dem Studiengang Ingenieurpädagogik bieten die Hochschule Mittweida, die Hochschule Zittau/Görlitz und die Westsächsische Hochschule Zwickau in Kooperation mit der TU Dresden eine weitere Option für den Einstieg in das technische Lehramt an.

 

Das Studium wird von den Kooperationspartnern gemeinsam verantwortet und findet teilweise an den Standorten der Hochschulen, aber auch hochschulübergreifend statt. Nach dem Abschluss Bachelor of Engineering können die Absolventen ihr Studium an der TU Dresden fortsetzen und nach dem Ersten Staatsexamen den Weg in den sächsischen Schuldienst einschlagen.

 

Besonders attraktiv für die Studierenden ist, dass sie mit dem Bachelor bereits über einen vollwertigen Hochschulabschluss verfügen, bevor sie für das stark verkürzte Studium Lehramt an berufsbildenden Schulen nach Dresden wechseln. Darüber hinaus bietet dieser Studienweg auch Schülern mit Fachhochschulreife eine Perspektive für den Lehrerberuf. Sie dürfen ihr erstes Studium an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften aufnehmen, nicht jedoch an einer Universität. Durch den Bachelor-Abschluss einer Hochschule für angewandte Wissenschaften wird das weitere Studium an der Universität rechtlich möglich.

 

Der fachliche Schwerpunkt liegt im gewerblich-technischen Bereich. Das Studium der Ingenieurpädagogik eignet sich daher besonders für Studierende mit einer Ausbildung oder Berufserfahrung in diesen Bereichen, die sich in ihrer Region ingenieurwissenschaftlich und pädagogisch weiterbilden und für das Lehramt an berufsbildenden Schulen qualifizieren möchten. Das Studium in Mittweida, Zittau und Zwickau ist besonders praxisorientiert. So sammeln die angehenden Lehrer hier schon während des Bachelorstudiums wichtige Erfahrungen, die sie später an ihre Schüler weitergeben können.

OptLA - technisches Lehramt an Berufsschulen

Option 4: Schulassistenz in Qualifizierung

Die Option „Schulassistenz in Qualifizierung“ ist ein duales Studienmodell für das Lehramt an berufsbildenden Schulen. Techniker und Meister, aber auch Bachelor-Absolventen werden direkt an einem Berufsschulzentrum angestellt und absolvieren parallel ein Teilzeit-Lehramtstudium an der TU Dresden.

 

An zwei Tagen in der Woche sind die Schulassistenten an der Berufsschule eingesetzt und unterstützen aktiv die Planung und Gestaltung des Unterrichts, die restliche Zeit steht für das Lehramtsstudium in Dresden zur Verfügung.

 

Diese Studienoption bietet Interessenten mit Fortbildungsabschlüssen wie Techniker und Meister die Möglichkeit, ein grundständiges Lehramtsstudium zu absolvieren. Durch die Anstellung an einem sächsischen Berufsschulzentrum sind die Schulassistenten in Qualifizierung auch während des Studiums finanziell abgesichert.

Neugierig geworden?

Ingo Pfretzschner ist Schulleiter der Frohburg Oberschule Maxim Gorki im Landkreis Leipzig. Mit Leidenschaft und Herzblut widmet er sich seiner Schule, dem Kollegium und vor allem seinen Schülerinnen und Schülern. Für uns hat er einen Liebesbrief an den Lehrerberuf geschrieben – mit allen Höhen und Tiefen, die es in der Beziehung zwischen ihm, seinem Beruf und der Schule gibt.

Der Lehrerberuf – ein wahrhaft lohnenswerter Pfad. Nicht nur wegen der sogenannten Ferien, die in Wirklichkeit eher unterrichtsfreie (aber deshalb nicht unbedingt auch arbeitsfreie) Zeiten sind, sondern vor allem aufgrund des Lehrerdaseins selbst.

 

Dieser Beruf ist von einer bemerkenswerten Abwechslung und einer erstaunlichen Vielfalt geprägt. Kaum eine Woche verstreicht, in der man nicht Dinge erlebt, auf die man so nicht vorbereitet war. Diese Erlebnisse können positiv oder negativ sein, halten aber in jedem Fall immer die Flamme der Neugier und des Lernens am Leben.

 

Der Lehrerberuf erlaubt keine Rostbildung, weder geistig noch körperlich. Die Lehrenden bleiben trotz äußerlicher Veränderungen jung, denn sie sind stets hautnah am Puls der Zeit. Sie kennen die aktuellen Musikrichtungen, Modetrends, und wissen, was in und out ist. Doch das Wichtigste ist, dass sie von ihren Schülern auf vielfältige Weisen in deren Leben einbezogen werden und ihr Vertrauen gewinnen. Dies verleiht dem Lehrerberuf eine zusätzliche Dimension der Freude und Erfüllung.

 

Lehrer gehören zu den wenigen Menschen, die sich tief ins Bewusstsein der Heranwachsenden eingraben, und oft erinnern wir uns ans sie noch Jahre später mit Dankbarkeit und Freude. Aber warum gerade Lehrer an einer Oberschule? Die Oberschule ist das Herzstück der sächsischen Bildungslandschaft, ein offenes System, das den Schülern vielfältige Wege eröffnet. Ob sie nach der 9. oder 10. Klasse eine berufliche Ausbildung, das Gymnasium, das berufliche Gymnasium zum Abitur oder den Weg über eine Fachhochschule einschlagen möchten – ihre Möglichkeiten sind vielfältig.

 

Die Aufgabe der Lehrer besteht nicht nur darin, Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln, sondern auch die Schüler auf ihrem Bildungsweg zu beraten. Anfangs liegt der Fokus hierbei mehr auf der Beratung der Eltern, im Laufe der Zeit aber verschiebt er sich zu den Schülern selbst. Lehrer tragen dazu bei, dass die Schüler den richtigen Start ins Leben nach der Schule finden. Neben den Klassenlehrern sind es vor allem die Fachlehrer, die sich in der Berufsberatung engagieren und intensiv mit außerschulischen Einrichtungen zusammenarbeiten.

 

Es ist wie ein Sechser im Lotto, ehemaligen Schülern zu begegnen, die die sich damals womöglich schwer getan haben, und sie nun als Familienmenschen und erfolgreiche Berufstätige wieder zu treffen. Dann hört man oft die wohlwollenden Worte: „Ja, Sie hatten damals recht.“

 

Im Lehrerberuf geht es nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch darum, die Schüler für die Fächer zu begeistern. Dennoch sollte nicht verschwiegen werden, dass nicht jeder Schüler das angestrebte Ziel erreicht. Und manchmal liegt das nicht allein an den Schülern selbst, sondern auch an einem anderen Unsicherheitsfaktor: den Eltern.

 

Die Mehrheit der Eltern steht den Lehrern und der Schule wohlgesinnt, wenn auch oft schweigend, gegenüber. Aber es gibt auch einige Eltern, die scheinbar desinteressiert sind und wenig zur Unterstützung ihrer Kinder oder der Schule als Ganzes beitragen. Und dann gibt es die Minderheit, die sich als Mehrheit fühlt und nur einen Slogan zu kennen scheint: „Der Lehrer ist schuld!“ oder „Die Schule ist schuld!“

 

Das kann belastend sein und Lehrkräften Schmerzen bereiten, gehört jedoch zum Lehrerberuf wie das Amen in der Kirche. Und wenn es diese Eltern nicht gäbe, würden uns wichtige Erfahrungen und Entwicklungen im Schulwesen fehlen.

 

Insgesamt ist der Lehrerberuf eine äußerst lohnenswerte Aufgabe. Lehrer an einer Oberschule, in einem positiven Arbeitsumfeld mit engagierter Schulleitung und einem kooperativen Kollegium können Schülern alles bieten und vieles von ihnen verlangen. Von der Unterrichtsvorbereitung über Aufsichten bis zu Gesprächen in der Kaffeepause, von Klassenfahrten bis hin zu Projekten, von tollem Unterricht an der Tafel bis zu hausgemachter Leberwurst als Dankeschön. Was könnte es Besseres geben?!

Du möchtest mehr über Ingo Pfretzschner und seine Aufgaben als Schulleiter erfahren?

Tino Kulisch, 38, ist Produzent, Komponist und Arrangeur. Sein Spezialgebiet ist die elektronische Musik. Aber egal ob Rock, Punk, Post-Core, Hardcore, Techno, House, Wave oder 80er Synthiepop: Tino hat über 20 Jahre Bühnenerfahrung mit verschiedenen musikalischen Genres.

Seit Juni 2023 leitet der gebürtige Thüringer eine Beats-Building- und Radio-AG an der Oberschule ‚Maxim Gorki‘ Frohburg im Landkreis Leipzig. Sein Ziel: den Schülerinnen und Schülern das Radio und seine Leidenschaft, die elektronische Musik und das Auflegen näher zu bringen. Im Interview erzählt er, wie die Idee zur AG entstand, wie man auch außerhalb des Lehrplans kreativ sein kann und was er sich von angehenden Lehrerinnen und Lehrern wünscht.

Die Geschichte hinter dem Schulradio-Projekt

Schon vor der Corona-Pandemie unterrichtete Tino als Honorarkraft Musik an der Oberschule in Frohburg. Die Arbeit mit den Kindern machte ihm viel Spaß. Aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen entschied er sich jedoch, zum Rundfunk zu wechseln. Die Freude am Unterrichten ließ ihn aber nicht los: „Ich hatte schnell wieder Lust, mit Kindern zu arbeiten und zu unterrichten, aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, wieder ganz Lehrer zu werden“.

 

Aus dem Wunsch heraus, die allgemeine Medienkompetenz an Schulen zu fördern, entwickelt er schließlich ein Konzept für eine Beats-Building- und Radio-AG. Seine ausgereifte Idee stellt er der Schulleitung der OS Frohburg vor – die ist begeistert und unterstützt Tinos Vorhaben, der Freistaat Sachsen stellt die Fördermittel bereit. Die Schulradio-AG ist geboren und Tino wird ihr Leiter: „Es ist toll zu sehen, wie meine Arbeit jetzt Früchte trägt. Und das Wichtigste: Die Kinder sind begeistert!“.

 

Neben der Begeisterung fordert die Arbeit im Schulradio die Schülerinnen und Schüler aber auch heraus: „Sie müssen lernen, sich selbst zu organisieren. Sie erstellen eigenständig Pläne für die Musikredaktion und wählen ganz demokratisch ihre Musikredakteure.“

So bringt Tino seinen AG-Teilnehmern nicht nur Radio und elektronische Musik näher, sondern vermittelt ihnen ganz nebenbei wichtige Kompetenzen und macht sie fit für die Zukunft.

Aus einer Idee wird ein Produkt

Nach einem erfolgreichen Projektstart an der OS Frohburg kam Tino und seinen Kollegen von der Rundfunkfirma DIVICON MEDIA die Idee: Warum nicht aus der Schulradio-AG ein richtiges Produkt entwickeln, das auch an anderen Schulen umgesetzt werden kann?

 

Tino erklärt das konkrete Ziel: „Wir wollen den Schülerinnen und Schülern in Sachsen wichtige Erfahrungen im multimedialen Bereich vermitteln, die sonst im Lehrplan zu kurz kommen. Außerdem sollen die Kids durch das Projekt erste journalistische und technische Fertigkeiten erlernen. Kurz: Medienkompetenz neu denken und gemeinsam gestalten!“.

 

So entstand ein Programm, das die individuelle Umsetzung von Schulradioprojekten ermöglicht. DIVICON MEDIA unterstützt die Schulen bei der Umsetzung: Das Unternehmen stattet sie mit Hard- und Software aus, bietet Workshops für Lehrerinnen und Lehrer an und hilft bei der Erstellung von inhaltlichen Konzepten.

 

„Das Coole ist, dass aus meiner ursprünglichen Idee ein ganz neuer Ansatz entstanden ist“, sagt Tino sichtlich glücklich und stolz über den Erfolg des Schulradio-Projekts.

„Ich möchte eine Inspiration für andere sein“

Für Tino ist das Schulradio-Projekt auch eine persönliche Herzensangelegenheit: „Ich möchte andere inspirieren, selbst aktiv und kreativ Schule zu gestalten“.

 

Der leidenschaftliche Musiker hofft, dass sein Ansatz vor allem auch bei angehenden Lehrerinnen und Lehrern Anklang findet:

 

„Es ist immer schön zu sehen, dass es Menschen gibt, die neben ihren regulären Aufgaben innovative Projekte vorantreiben. Unser Ansatz ist modern und nicht nur für den Unterricht an Schulen, sondern auch für die Ausbildung zukünftiger Lehrer gedacht“, ergänzt der AG-Leiter und fügt hinzu: „Solche Initiativen bringen frischen Wind in den Unterricht und erweitern den Horizont. Sie können dazu beitragen, den Lernprozess sowohl für Lehrerinnen und Lehrer als auch für Schülerinnen und Schüler inspirierender und motivierender zu gestalten“.

Zur Person:

Tino Kulisch ist neben seiner Tätigkeit als AG-Leiter Live Trainer von Ableton, eine marktführende Software zur Erstellung elektronischer Musik.

 

Darüber hinaus ist er als Solution Engineer bei der DIVICON MEDIA tätig: Als Honorardozent am SAE Institut Leipzig teilt er sein Wissen und seine Erfahrung mit aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern sowie Musikproduzentinnen und -produzenten.

 

Mehr Infos zum Projekt ‚Schulradio‘ der DIVICON MEDIA findet ihr hier: Landingpage Schulradio – DIVICON MEDIA

Du interessierst dich für Schulen im Leipziger Umland?

Fidaa Alburbar ist Sprach- und Integrationsmittler an der sächsischen Oberschule „Am Körnerplatz“ in Chemnitz. Seine Geschichte handelt von Flucht und Vertreibung. Vor allem aber von Neuanfang, Mut und gelungener Integration in Sachsen. Im Interview, an dem auf seinen Wunsch hin auch Claudia Elsner, die Koordinatorin für Migration am Standort Chemnitz, teilnimmt, schildert Fidaa seinen bewegenden und vor allem inspirierenden bisherigen Lebensweg. 

Ich treffe Fidaa, einen groß gewachsenen jungen Mann mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, zum Gespräch in seinem Klassenzimmer. Claudia ist über Videotelefonie zugeschaltet. Die Wände von Fidaas Klassenzimmer sind in freundlichen grünen und gelben Pastelltönen gestrichen. Hinter ihm Kritzeleien an der Tafel. Die Sonne blinzelt durch die Vorhänge – ein ruhiger Frühsommermorgen in Chemnitz. 

Vom Geflüchteten zum Integrationshelfer

Fidaa Alburbar wurde vor 33 Jahren in Gaza geboren. Nach seinem Abitur ging er nach Ägypten, um Tourismus zu studieren. Kurz nachdem er 2014 nach Gaza zurückkehrt, bricht der Krieg aus. Fidaa flieht über Libyen und das Meer bis nach Deutschland, wo er Wochen später in München ankommt. Zusammen mit 15 anderen Geflüchteten wird er der Stadt Chemnitz zugewiesen. Der Anfang ist holprig: Fidaa muss mehrmals das Heim wechseln und lebt ein Jahr lang mit drei anderen Palästinensern in zwei Zimmern. Sein erster Job in Deutschland: Putzen für 1 Euro die Stunde. 

 

Um in Deutschland selbstständig sein zu können, hat er ein großes Ziel: Deutsch lernen. Er erkundigt sich gemeinsam mit einem syrischen Freund bei der Volkshochschule; wenig später beginnt er dort einen Deutschkurs, den er selbst finanziert und in Raten abbezahlt. „Um Geld zu sparen, habe ich ein paar Monate auf das Busticket verzichtet und bin 45 Minuten vom Heim zum Kurs gelaufen – das war okay für mich. Ich habe das gerne gemacht“. 

 

Bald darauf findet Fidaa über das Sozialamt die Möglichkeit, in einer kreativen Holzwerkstatt zu arbeiten. „Da waren viele Rentnerinnen, die in der Holzwerkstatt gebastelt haben, um sich die Zeit zu vertreiben die haben viel geredet“, sagt Fidaa und lacht, so habe er die ersten sächsischen Worte gelernt. „Die alten Damen waren toll! Die haben sich immer gestritten, wer mir als nächste Geschenke mitbringen darf“. Deshalb habe er sie immer liebevoll „meine Omas“ genannt. Auf Bitten des Werkstattleiters bleibt Fidaa im Betrieb und hilft anderen Geflüchteten: So hat er angefangen zu übersetzen.  

 

Als er einen weiteren Deutschkurs beginnt, besucht er vormittags den Kurs und arbeitet nachmittags ehrenamtlich als Dolmetscher: „Das war eine gute Zeit. Ich habe viel über das deutsche System gelernt“. Sein Lohn? „Manchmal habe ich dafür Fahrkarten bekommen“. 

 

Im Jahr 2016 erhält Fidaa eines Tages einen Anruf von einem Freund: AGIUA e. V. sucht Sozialarbeiter für das Projekt „Soziale Betreuung von Asylsuchenden“. Er bewirbt sich und bekommt den Job. „Dort habe ich Familien bei Behördengängen geholfen, Anträge ausgefüllt oder ihre Kinder in der Schule angemeldet“. Dreieinhalb Jahre arbeitet er dort als Betreuer – sein erster richtiger Job in Deutschland! 

 

Claudia Elsner ist Koordinatorin für Migration beim sächsischen Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) am Standort Chemnitz. Fidaa kennt sie zu diesem Zeitpunkt bereits gut, er hat schon einige Male für sie im LaSuB übersetzt. Als Fidaa bei ihr eine freie Stelle als Sprach- und Integrationsmittler in der Schulassistenz in Sachsen sieht, bewirbt er sich direkt. „Als Fidaa sich bewarb und ich ihn zum Gespräch einlud, dachte ich: ,Der kommt bestimmt nicht pünktlich, weil wieder was ist‘ – das kann durchaus passieren, wenn man Leute aus anderen Kulturkreisen einstellt. Das ist oft ein K. O.-Kriterium; da kann der Mensch sein, wie er will. Aber das habe ich hier direkt vom Tisch genommen. Man kann nicht erwarten, dass sich jeder vom ersten Tag an wie ein Deutscher verhält!“ 

Ein Brückenbauer zwischen den Kulturen

Fidaa, Sprach- und Integrationsmittler in Chemnitz

Seit 2019 ist Fidaa nun Sprach- und Integrationsmittler an der Oberschule „Am Körnerplatz“  in Chemnitz. Wie sieht sein Alltag aus? „Mein Tag beginnt um 7.30 Uhr in der Schule. Dann schaue ich, was ansteht. Mein Dienstsitz ist zwar hier an der Oberschule, aber ich unterstütze auch alle anderen Schulen im Landkreis Chemnitz, Erzgebirge und Mittelsachsen“. 

 

Ein wichtiger Teil seiner täglichen Arbeit: das Übersetzen. Sei es bei Elternabenden, Beurteilungsgesprächen oder auch mal am Telefon.  

 

In den Schulpausen ist Fidaa in dem ihm zugewiesenen Raum: „Die Kinder kommen zu mir und stellen viele Fragen. Manchmal geht es um das Ausfüllen von Anträgen, um die Schulfahrkarte oder Probleme mit anderen Kindern – dann trommle ich alle zusammen und versuche, das Problem zu lösen“. 

 

Für seine Arbeit als Sprach- und Integrationsmittler bringt Fidaa viele Eigenschaften mit, die Lehrer nicht unbedingt haben: „Ich komme aus dem gleichen Kulturkreis wie viele der Kinder mit Migrationshintergrund – dadurch schaffe ich Verständnis und Identifikation. Ich bin ihr Vorbild und das Bindeglied zwischen Deutschland und ihrer Herkunft, zwischen der deutschen und der arabischen Sprache.“ 

Die Kinder glauben ihm, wenn er sagt: Ich war einer von euch!

Wenn es an der Schule Probleme gibt, denkt Fidaa manchmal an seine eigene Schulzeit zurück: „Ich erinnere mich noch gut und weiß, dass man manchmal nicht alles so meint, wie man es sagt. Ich hatte früher auch ab und an Schwierigkeiten und weiß daher, dass man die Menschen, die einem aus der Patsche helfen, nie vergisst“.  

 

Fidaa, Sprach- und Integrationsmittler in Chemnitz

Frau Elsner fügt anerkennend hinzu, dass Fidaa einen einzigartigen Einfluss habe: „Es gibt noch weitere arabische Sprachmittler, zwei von ihnen waren in ihrem Heimatland bereits Lehrer – aber die Position des Lehrers ist nicht dieselbe wie die des Sprach- und Integrationsmittlers“. Nicht umsonst gehöre diese Position zu den Schulassistenten; das sei ein anderer Menschenschlag als Lehrer, nämlich auf Augenhöhe mit den Schülern. „Die Kinder glauben Fidaa, wenn er sagt: ,Ich war einer von euch!‘“ 

Integration durch Verständigung und Sport

Eine von Fidaas großen Herausforderungen ist es, gegenseitiges Verständnis zu schaffen: bei den arabischen Familien für das System in Deutschland, bei den Deutschen für die Kultur dieser Menschen. Um dies zu erreichen, initiierte er einen arabischen Elternabend in der Stadt Chemnitz. Die Volkshochschule stellte einen Raum zur Verfügung, der Imam wurde eingeladen. Claudia Elsner übernahm den rechtlichen Teil, die Hauptverantwortung für die Organisation lag bei Fidaa.

 

„Mein Ziel war es, zu zeigen, dass die Schule nichts Böses will, dass auch das deutsche Jugendamt nichts Böses will“, sagt Fidaa. Und Frau Elsner ergänzt: „Wir wissen, dass es in Sachsen viel Ausländerfeindlichkeit gibt, aber man kann auch nicht immer alles darauf schieben“. 

 

Und Fidaas Engagement geht noch weiter: Seit diesem Schuljahr hat er die Basketball-AG der Schule übernommen. Beim letzten Ostercamp in Chemnitz, der ‚Raise Up Academy‘ unter der Leitung von Profispieler Malte Ziegenhagen, nahmen auch Flüchtlingskinder teil. Darunter ein Kind aus Venezuela, das vorher noch nie Basketball gespielt hatte. „Schon am zweiten Tag war er einer der Besten! Das war eine große Überraschung. Sogar Bundesligaspieler sind auf ihn aufmerksam geworden und er hat einen Preis gewonnen. Da war ich einen Monat lang glücklich“, berichtet Fidaa gerührt. Und weiter: „Ich versuche, so viel wie möglich für die Kinder zu tun. Ich selbst komme aus einem Flüchtlingsgebiet. Dort haben wir auch Sport getrieben: auf der Straße mit einer Socke statt einem Ball“. Für viele Kinder sei Sport selbstverständlich, für manche sei er ein Wunder. 

 

Fragt man Fidaa, wie er das alles geschafft hat, antwortet er ernst, aber mit sanfter Stimme: „Weil ich bisher viele gute Menschen um mich hatte. Dank ihnen konnte ich viel Gutes erreichen. Dafür bin ich sehr dankbar“. 

Dank seiner Ausdauer und seines Engagements hat Fidaa inzwischen sogar die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. 

Du möchtest Sprach- und Integrationsmittler werden?

MINT: Das steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – und für einen akuten Lehrermangel an sächsischen Schulen sowie ein Ungleichgewicht der Geschlechter. Wo und für welche Schularten man in Sachsen MINT-Fächer auf Lehramt studieren kann, erfährst du hier. 

 

Frauen an die MINT-Macht!

Das wird kaum überraschen: In den jahrzehntelang männlich-dominierten MINT-Fächern gibt es immer noch ein deutliches Geschlechterungleichgewicht, männliche Studierende sind nach wie vor in der Mehrheit.  

 

Nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung liegt der Anteil der Studienanfängerinnen in den MINT-Fächern bei 25 Prozent im Bachelorstudium und bei 36 Prozent im Masterstudium.

 

Das klingt wenig; und doch stellt das Statistische Bundesamt einen positiven Aufwärtstrend bei der Geschlechterverteilung insgesamt fest: Waren es 2001 bundesweit nur 30,8 Prozent Studienanfängerinnen in den MINT-Fächern, haben sich 2021 knapp 4 Prozent mehr weibliche Studierende immatrikuliert.  

MINT bedeutet Zukunft

Ob bei der Bewältigung des Klimawandels, dem Vorantreiben der Energiewende oder der Bekämpfung von Pandemien – Fachkräfte in den MINT-Fächern sind gefragter denn je. Und das nicht nur in Forschung und Praxis, sondern vor allem auch in den Schulen, wo die neue Generation heranwächst und Zukunftsvisionen als Ziele gesetzt werden. 

 

Auch wenn der Anteil der MINT-Studentinnen langsam steigt, so ist die Zahl aller MINT-Studierenden laut Statistischem Bundesamt allein im Jahr 2021 bundesweit um 6,5 Prozent gesunken – ein Abwärtstrend, der die Bildungspolitik in Bund und Ländern beunruhigt und dem es entgegenzuwirken gilt. 

MINT-Fächer auf Lehramt studieren, aber wo?

In Sachsen kann man die MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Biologie, Chemie, Physik und verschiedene technische Fächer an der Universität Leipzig sowie an der TU Dresden studieren.  

Die MINT-Fächer werden hier für folgende Schularten angeboten:

  • Berufsbildende Schule 
  • Gymnasium 
  • Oberschule  
  • Grundschule 

Achtung: Studieninhalte und Fächerkombinationen können sich von Fach zu Fach und von Universität zu Universität unterscheiden.

MINT-Fach Physik
MINT-Fach Chemie

Im Folgenden findest du eine Übersicht des Studienangebots für MINT-Fächer auf Lehramt in Sachsen:  

Berufsbildende Schulen

Gymnasium

Oberschule

Grundschule

Berufsbildende Schulen

  • Mathematik 
  • Chemie,  
  • Informatik 
  • Mathematik 

Sonderpädagogik

Gymnasium

  • Biologie 
  • Chemie 
  • Informatik 
  • Physik  
  • Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales 
  • Biologie 
  • Mathematik 
  • Physik 
  • Chemie 
  • Informatik

Oberschule

  • Biologie 
  • Mathematik 
  • Physik 
  • Chemie 
  • Informatik 
  • Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales 

Du möchtest wissen, wo in Sachsen hoher Lehrerbedarf besteht?

,Wuj Ludwig’ (,Onkel Ludwig’) – so wird Ludwig Eckert, 36, oft genannt. Schon immer scharten sich die Jüngeren um ihn, schauten zu ihm auf, fühlten sich wohl bei ihm. Das hat sich nicht geändert: Heute ist er Sorbisch- und Geschichtslehrer an der Oberschule in Schleife, obwohl er sich selbst als Schüler im Unterricht nicht immer wirklich wohl gefühlt hat – oder ist er vielleicht gerade deswegen an die Schule zurückgekehrt? 

 

Behütete Kindheit in der Lausitz

Als Sohn einer sorbischen Mutter und eines deutschen Vaters in Cottbus geboren, zog Ludwigs Familie in das sorbische Dorf Räckelwitz, da war er drei Jahre alt. Seine Kindheit in der kleinen Dorfgemeinschaft beschreibt er als „schön und unkompliziert, mit viel Liebe und Verständnis“. Seitdem ist Sorbisch aus seinem Leben nicht mehr wegzudenken. Er lernte die Sprache von seiner Mutter und seiner Großmutter, vor allem aber einfach „nebenbei“. Die Sprache war im ländlichen Alltag allgegenwärtig: ob beim Bäcker, auf dem Schulhof, im Sportverein oder sogar im Gespräch mit dem Versicherungsvertreter.  

 

Lange Zeit war Ludwig Mitglied in sorbischen Tanzgruppen (in Bautzen und Schmerlitz) und sogar 19 Jahre lang einer der Osterreiter in der traditionellen Prozession. Ludwigs Kindheits- und Jugendidylle wurde allerdings durch seine eigene Schulzeit manchmal auch getrübt: „Die Schule hat mir 12 Jahre lang nicht wirklich Spaß gemacht, obwohl ich die meisten Fächer interessant fand. Doch der Unterricht hat mich selten abgeholt, geschweige denn begeistert. Es gab allerdings einige Vorbilder, die mir gezeigt haben, dass es auch anders geht“. Diese Vorbilder spornten ihn an, es selbst besser zu machen. 

 

Nach dem Abitur wollte Ludwig etwas „Sinnvolles“ tun, der Gesellschaft etwas zurückgeben, denn der Wehrdienst kam für ihn damals nicht infrage: „Ich wollte lernen, wie man Leben rettet und nicht, wie man es nimmt!“ Also leistete er seinen Zivildienst im Krankenhaus. Für „Tante Ludwig“ war nach dieser Zeit klar: „Ich will der Gesellschaft dienen, ich werde Lehrer! “ 

Tropfen im Ozean

Ludwig studierte an der Universität Leipzig Sorbisch und Tschechisch auf Lehramt. Da es an seiner jetzigen Schule aber aktuell zu wenig Interessenten für Tschechisch gibt, unterrichtet er stattdessen Geschichte und wurde hier fachfremd eingearbeitet: „Das war für mich kein Problem, da Geschichte mein absolutes Steckenpferd ist und mich auch privat sehr interessiert. Ich habe auch schon Deutsch an einem tschechischen Gymnasium unterrichtet und mich auch in verschiedenen anderen Fächer ausprobiert.“ 

 

Das Fach Sorbisch ist für ihn eine Herzensangelegenheit, wie er selbst sagt: „Die Sprache ist für mich unglaublich wertvoll und ich finde es wichtig, sie zu erhalten. Sie ist ein Mehrwert nicht nur für Sachsen, sondern für ganz Deutschland – sie macht unser Land bunter.“ Sein Ziel: Bewusstsein schaffen für diesen einmaligen kulturellen und sprachlichen Schatz und die schöne Lausitz. Auch wenn sein Beitrag zum großen Ganzen klein ist, kann er als Lehrer viel bewegen. Frei nach Blaise Pascal: „Jeder Stein verändert das Meer.“ – Denn auch die kleinen Dinge wirken sich auf das große Ganze aus.“  

Glücksmomente eines Lehrers

Auf die Frage, welcher Lehrertyp er sei, antwortet er mit einem Lächeln: „Ich bin eher der lockere Lehrertyp, aber das war ich nicht immer. Wo ich anfangs aus Unsicherheit Strenge gezeigt habe, bin ich mit der Zeit und durch die Erfahrung entspannter geworden. Wichtig ist mir in der Arbeit das gegenseitige Vertrauen. Aber: Grenzen bleiben wichtig!“ 

Ludwig Eckert in der Oberschule in Schleife
Oberschullehrer Ludwig Eckert

Zu sehen, wie aus Kindern junge Erwachsene werden, macht Ludwig große Freude. Und wenn dann noch ein Schüler oder eine Schülerin zu ihm sagt: „Bei Ihnen macht es Spaß, weil ich immer so viel lerne“, ist er zwei Wochen lang glücklich, sagt er. 

 

Ludwigs Botschaft an alle, die sich für den Lehrerberuf interessieren: „Wir brauchen jede und jeden von euch!“ Sein Rat an alle Studieninteressierten: „Seid mutig, probiert euch aus, fragt proaktiv nach Praktika!“ Jedes Fach lasse sich spannend gestalten, egal wie schwierig die Lehrpläne seien – und das motiviere ihn jeden Tag aufs Neue. 

Schule am Puls der Zeit

Die Oberschule in Schleife, an der Ludwig unterrichtet, ist kreidefrei, digital auf dem neuesten Stand, das Kollegium ist jung. Was die Schule auf dem sächsischen Land noch besonders macht? Die Zweisprachigkeit: Im Kollegium gibt es fünf sorbische Muttersprachler, und auch die anderen Kolleginnen und Kollegen bemühen sich, die Sprache zu lernen. Der Schulleiter ist selbst Sorbe und lebt der Schülergeneration die sorbische Lebensart vor – so ist es ganz normal, dass man sich auf dem Schulflur auf Sorbisch begrüßt oder dass die Beschriftungen in der Schule zweisprachig sind. Von den 290 Schülerinnen und Schülern besucht zudem etwa die Hälfte Klassen mit sorbischem Unterricht– in diesem Jahr gab es sogar erstmals deutlich mehr Anmeldungen für die Sorbischklassen als für die Deutschklassen! 

Du möchtest Sorbischlehrerin oder -lehrer werden? Hier findest du alles über

Lausitz: Region in Deutschland zwischen Brandenburg und Sachsen, landschaftlich geprägt durch Flüsse und Seen, historisch geprägt durch die sorbische Kultur. Hier im Landkreis Bautzen liegt der kleine Ort Laske, in dem die 25-jährige Lehramtsstudentin Lydia Mattick geboren und aufgewachsen ist. Wir haben sie zum Interview getroffen und gefragt, was die Sorbin mit ihrer Heimat verbindet, wie sie durch ihre Herkunft geprägt wird und warum sie Sorbisch und Geschichte auf Lehramt studiert.

LEHRERIN SACHSEN: Liebe Lydia, du kommst aus der Lausitz, bist dort geboren und aufgewachsen. Wie würdest du deine Heimat beschreiben?

 

Lydia: In der Lausitz geht es sehr familiär und trotzdem bunt zu: Jeder kennt jeden, man fühlt sich verstanden und akzeptiert und es gibt viele gemeinsame Projekte. Schon deshalb komme ich immer wieder gerne in meine Heimat zurück.

 

LEHRERIN SACHSEN: Du hast als Kind eine sorbische Grund- und Mittelschule und als Jugendliche ein sorbisches Gymnasium besucht. Wie präsent war die sorbische Sprache und Kultur für dich in diesen Schulen?

 

Lydia: Sehr präsent! Fast alle Schülerinnen und Schüler und fast alle Lehrerinnen und Lehrer waren sorbische Muttersprachler. Abgesehen davon, dass wir mindestens zweimal in der Woche sorbischen Unterricht hatten, haben wir auch untereinander auf dem Schulhof sorbisch gesprochen.

 

LEHERERIN SACHSEN: Und wie präsent ist die sorbische Sprache und Kultur für dich heute im Alltag in der Lausitz?

 

Lydia: Das kommt ganz darauf an, wo man lebt. Die Lausitz erstreckt sich über zwei Bundesländer, Brandenburg und Sachsen, und die Region selbst gliedert sich in die Ober- und die Niederlausitz. In der ländlichen Oberlausitz wird im Alltag noch viel Sorbisch gesprochen und sorbische Traditionen gepflegt. In den Städten wie Kamenz, Bautzen oder Hoyerswerda hingegen ist die Alltagssprache inzwischen eher deutsch.

 

Wieder anders verhält es sich in der Niederlausitz: Hier wird im Alltag eher wenig Sorbisch gesprochen, aber auch hier werden sorbische Bräuche und Traditionen noch stark gepflegt. Sorbisch ist hier eher Zweit- als Muttersprache.

LEHRERIN SACHSEN: Wie lebst du beziehungsweise deine Familie die sorbische Sprache und Kultur?

Lydia: Wir sprechen zu Hause sorbisch. Außerdem pflegen wir in unserem Dorf die sorbischen Traditionen im Jahreslauf, wie zum Beispiel das Maibaumaufstellen oder die traditionellen Osterbräuche. Zu besonderen Festtagen tragen wir die sorbisch-katholische Tracht. Der katholische Glaube und die sorbische Tradition bilden eine Art Symbiose. Außerdem sind viele Mitglieder der sorbischen Volkstanzgruppe Schmerlitz – auch ich.

Volkstanzgruppe Schmerlitz mit Lydia in der Mitte

LEHRERIN SACHSEN: Erzähl uns davon!

 

Lydia: Die Tanzgruppe besteht seit 1964 und wir treffen uns jeden Samstag mit dem gemeinsamen Ziel, die sorbische Folklore zu erhalten. Mit unseren Tänzen stellen wir sorbische Traditionen tänzerisch dar – das stärkt automatisch den Wunsch, die wunderschönen sorbischen Lieder und Melodien zu erhalten und weiterzugeben.

 

Wem das altmodisch vorkommt: Das ist es nicht! Unser Choreograf Herr Wendisch versucht, die Tradition mit modernen Tanzeinflüssen neu zu interpretieren.

 

LEHERIN SACHSEN: Wie kann man sich das vorstellen?

 

Lydia: Wir versuchen, neue Tanzelemente oder auch slawische Tanzstile mit unseren traditionellen Elementen zu mischen und so Moderne und Folklore zu verbinden. Wir tanzen übrigens nicht nur in der Lausitz! Jedes Jahr machen wir eine Auslandstournee und treten auf verschiedenen Folklorefestivals auf. Sogar in Peru waren wir schon! Dieses Jahr geht es nach Serbien oder Korea und in der Lausitz haben wir unser eigenes Folklorefestival in Crostwitz.

LEHRERIN SACHSEN: Über deine Heimatregion hinaus engagierst du dich auch in Leipzig für die sorbische Sprache und bist Mitglied des sorbischen Studentenvereins „Sorabija Lipsk“. Erzähl uns mehr darüber!

 

Lydia: Die Studentenverbindung besteht seit 1716 und ist die älteste in Leipzig. Wir haben 65 Mitglieder und bieten ihnen unter anderem Wohnraum mit eigenem Klubraum. Wir sind offen für Sorben und Nicht-Sorben, aber die Sorben sind in der Überzahl. Natürlich haben wir auch ein geheimes Aufnahmeritual! (lacht).

 

Besonders bekannt sind wir bei allen Studierenden durch unseren Faschingsverein, der 1980 gegründet wurde und jedes Jahr im Februar eine Faschingsfeier mit einem Motto und einem abwechslungsreichen Programm veranstaltet.

 

LEHERIN SACHSEN: Und was ist euer Ziel?

 

Lydia: Die sorbische Kultursprache auch außerhalb der Heimat zu pflegen und zu leben, aber auch anderen näher zu bringen. Wir pflegen unsere Traditionen auch in Leipzig, indem wir z. B. die Kirmes feiern oder einen Maibaum aufstellen.

LEHRERIN SACHSEN: Was gefällt dir an der sorbischen Sprache und Kultur besonders?

 

Lydia: Die sorbischen Trachten! Ich trage sie allzu gerne und kann mich mittlerweile sogar selbst einkleiden – das habe ich von meiner Oma gelernt!

 

Aber auch die sorbischen Volkslieder gehören für mich unbedingt dazu: Auf fast jedem Dorffest werden sie irgendwann angestimmt. Sie haben einen einfachen Klang und wiederholen sich im Text – so reißen sie alle mit! Wenn die Stimmung dann richtig kocht, wird oft Polka dazu getanzt. Das macht einfach Spaß!

 

LEHRERIN SACHSEN: Mit welchem Klischee über Sorbisch möchtest du aufräumen?

 

Lydia: Dass die sorbische Sprache tot ist. Denn sie lebt – vor allem das Obersorbische!

LEHRERIN SACHSEN: Kommen wir zu deiner Berufswahl. Du studierst im 10. Semester Oberschullehramt in den Fächern Geschichte und Sorbisch an der Universität Leipzig. Warum möchtest du Lehrerin werden?

 

Lydia: Ich habe ein großes Ziel vor Augen: das Sorbische zu erhalten. Es ist zwar noch sehr lebendig, aber vom Aussterben bedroht. Deshalb habe ich mir die Frage gestellt: Wie kann man eine aussterbende Sprache und Kultur erhalten? – Indem man sie an die jungen Generationen weitergibt und die Geschichte der Sorben vermittelt.

 

Außerdem wurde mir schon während meiner Schulzeit immer wieder zurückgemeldet, dass ich Sachverhalte gut erklären kann und meine Vorträge wurden oft gelobt. Wann immer ich konnte, habe ich meinen Mitschülerinnen und Mitschülern geholfen und da war mir klar, dass der Lehrerberuf eine gute Wahl für mich ist.

 

LEHRERIN SACHSEN:  Warum hast du dich für die Schulform Oberschule entschieden?

 

Lydia: Das hatte vor allem praktische Gründe: Auf dem Land gibt es viele gute Oberschulen, so auch in meiner Heimatregion. Und da ich dorthin zurückkehren möchte, lag die Wahl dieser Schulform quasi auf der Hand.

 

Außerdem gibt es nur zwei sorbische Gymnasien: eines in Bautzen und eines in Cottbus. Diese sind aber bereits gut mit jungen Lehrerinnen und Lehrern mit meiner Fächerkombination versorgt.

 

LEHRERIN SACHSEN:  Du konntest bereits praktische Erfahrungen im Unterrichten sammeln. Was war dein bisher schönstes Erlebnis?

 

Lydia: Als ich gemerkt habe, dass es bei den Schülern „Klick“ macht. In meiner 2. Stunde Sorbisch als Fremdsprache in einer 10. Klasse z. B. entstand plötzlich ein „Inside-Joke“ zwischen einer Schülerin und mir auf Sorbisch. Da habe ich gemerkt, dass sich meine Vorbereitungen gelohnt haben und ich etwas vermitteln konnte.

 

LEHRERIN SACHSEN: Zum Schluss: Welche Art von Lehrerin möchtest du werden?

 

Lydia: Ich möchte in meinem Unterricht Spiel und Struktur verbinden, immer ein offenes Ohr haben, freundlich und motivierend sein. In meinem Unterricht soll gemeinsam gelacht und gelernt werden!

Du möchtest mehr über das Oberschullehramt erfahren? Lass dich inspirieren!