Lehrer Thomas Knapp ist in einer Erklärsituation mit einem seiner Schüler im Informatikunterricht zu sehen.

Von Null auf Digital: Thomas Knapp – ein Wegbereiter der Informatikbildung in Sachsen

Mit seiner Leidenschaft und seinem langjährigen Engagement für die Informatikbildung in Sachsen ist Thomas Knapp von der Marie-Curie-Oberschule in Dohna ein Vorbild für viele Lehrende und Lehramtsstudierende. In sieben Minuten erfährst du in diesem Longread Spannendes über den Werdegang des Informatiklehrers und Wissenswertes von den Anfängen bis zu den Zukunftsperspektiven der informatischen Bildung in Sachsen.

Überraschung! Die Auszeichnung mit dem Ursula Hill-Samelson Lehrerpreis

Thomas Knapp ist Preisträger des  Ursula Hill-Samelson Lehrerpreises 2024. Der MNU, der Deutsche Verein zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts e. V., verleiht jährlich die mit 2.500 Euro dotierte Auszeichnung, die von der Saarbrücker Informatik gestiftet wird. Er würdigt damit die Verdienste des Lehrers in Sachsen um den Informatik- und MINT-Unterricht im Freistaat.

 

Die Auszeichnung überraschte Knapp: „Damit habe ich im Leben nicht gerechnet. Der Preis bedeutet mir eine Menge. Er zeigt, dass mein Einsatz für die Informatik gesehen wird und etwas gebracht hat“, sagt der 63-Jährige über sein langjähriges Engagement für einen zeitgemäßen Informatikunterricht.

 

Thomas Knapp startete nach seinem Physik- und Mathematik-Studium als Diplom-Oberschullehrer 1987 an der 63. Oberschule Dresden in den Schuldienst. 1991 begann er “quasi im nullten Jahrgang” das neue, berufsbegleitende Studium der Informatik an der damaligen Pädagogischen Hochschule Dresden. An seiner Schule startete er dann 1992 in den Informatikunterricht.

 

Informatiklehrer Thomas Knapp zeigt einem Schüler den Aufbau einer Maschine.

Informatiklehrer Thomas Knapp erklärt einem Achtklässler den Aufbau eines 3D-Druckers.  Später werden die Schüler selbst Modelle planen, konstruieren und daran ausdrucken. Foto: David Schuster 

Praxisnaher Unterricht - von Anfang an wichtig

Ein praxisnaher Informatikunterricht war Anfang der 90er-Jahre keineswegs selbstverständlich. Doch Thomas Knapp setzte schon immer darauf und etablierte ihn einfach im Schulalltag. „Wir waren froh, dass der Informatikunterricht überhaupt in den Fächerkanon in Sachsen aufgenommen wurde. Da haben wir Professor Steffen Friedrich von der TU Dresden viel zu verdanken.“ 1992 wurde Informatik als Pflichtfach in Sachsen eingeführt, 2004 schließlich mit den neuen Lehrplänen auf alle Schularten für die Klassenstufen 7 bis 10 ausgeweitet. Bis heute ist der Freistaat eines von nur sieben Bundesländern, in denen alle Schülerinnen und Schüler verbindlichen Informatikunterricht haben.

 

In den Anfängen sei es vor allem um die praktische Anwendung von Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Datenbanken gegangen. „Später haben wir mit unseren Schülern aber auch Websites veröffentlicht oder Flyer und Arbeitsbücher mit MS Publisher gestaltet. Wir haben dabei immer auch die objektorientierte Sichtweise auf die Nutzung dieser Anwendungen gehabt.“ Beispiel: Ein Text soll gestaltet werden. Ein Buchstabe ist solch ein Objekt, dem bestimmte Eigenschaften zugewiesen werden – etwa Schriftart, -größe und -schnitt. Oder Absätze und Überschriften, die links, rechts oder mittig positioniert werden, damit ein Text seine vorgesehene Form annimmt.

 

Im Hintergrund ist ein IPad mit der Übungsaufgabe "Du sollst eine Skytale basteln und deinem Lehrer eine geheime Botschaft senden" zu sehen. Im Vordergrund sind zwei Hände eines Kindes zu sehen, das mit zwei Wäscheklammern und einer auf einen Stift gewickelten und beschrifteten Luftschlange eine solche Skytale-Verschlüsselung gebaut hat.

Eine typische Aufgabe im wahlobligatorischen Informatikkurs in der 7. Klassenstufe an der M.I.T.-Oberschule Marie Curie: Eine Skytale basteln und dem Lehrer eine geheime Botschaft per Verschlüsselung zukommen lassen. Foto: Thomas Knapp

Digital vorneweg: die M.I.T.-Oberschule Marie Curie in Dohna

2016 wechselte Thomas Knapp nach weiteren Stationen an verschiedenen Schulen an die Oberschule Marie Curie in Dohna. Dort arbeitet er bis heute, inzwischen auch als Lehrer mit besonderen schulischen Aufgaben im Bereich M.I.T.

 

M.I.T.-Schulen sind Schulen in Sachsen, die sich  auf Medien-Bildung, informatische Bildung und digitale Technologien (M.I.T.) fokussieren. Das 2019 ins Leben gerufene M.I.T-Netzwerk ermöglicht den teilnehmenden Schulen, intensiver in diesen Bereichen zu arbeiten. Die Marie-Curie-Oberschule ist von Anfang an im M.I.T.-Netzwerk Dresden dabei und eine iPad-Schule. „Sie ist ein Leuchtturm der Digitalisierung und hat ein großes Alleinstellungsmerkmal in der Gegend.“ Im August 2024 erhielt die Marie-Curie-Oberschule Dohna, gemeinsam mit den anderen Schulen des M.I.T.-Netzwerkes, die Auszeichnung als Digitale Schule Sachsens.

 

Auch die Eltern engagieren sich und tragen das Modell, nicht zuletzt finanziell, mit. „Wir haben seit 2024 erstmals in allen Klassen iPads, die die Eltern für ihre Kinder bezahlt haben und können dadurch digitale Technologien in allen Klassenstufen nutzen.“ Das Modell funktioniert: „Wir haben im Schnitt weniger als einen Schüler je Klasse mit einem Leih-iPad der Schule.“

 

 

Es sind zwei Kinderhände zu sehen, die eine auf einen Stift gerollte Luftschlange mit einer Botschaft für eine Skytale beschriften. Eine Skytale ist eine seit der antike bekannte mechanische Verschlüsselungstechnik, die auf diesem Bild eine Übungsaufgabe im Informatikunterricht illustriert.

Eine Skytale ist eine schon aus der Antike bekannte Verschlüsselungstechnik: Eine Botschaft wird auf ein Band notiert, das auf einen Stab gewickelt wird. Der Empfänger braucht zum Entschlüsseln das Gegenstück des Stabes mit genau demselben Durchmesser. Foto: Thomas Knapp

„Ohne unseren Schulassistenten wäre ich gnadenlos aufgeschmissen“

Die aktuellste Technik nützt aber nichts, wenn es niemanden gibt, der sie wartet. Mithilfe eines Budgets aus dem Digitalpakt der Bundesregierung und dem Engagement der damaligen Schulleiterin Antje Ambos konnten genügend Mitarbeitende eingestellt werden, die im Alltag unterstützen. Ein Informatiklehrer hält den Betrieb nicht allein am Laufen, weiß Knapp: „Ohne unseren Schulassistenten David Schuster wäre ich gnadenlos aufgeschmissen. Er ist ausgebildeter Informatiker und Medienpädagoge. Eigentlich bräuchte es flächendeckend ‚digitale Hausmeister‘ an den Schulen.“

 

Wo nichts ist, wird Neues selbst gemacht

Knapp gestaltete zudem die Informatik-Lehrpläne in Sachsen von 2002 bis 2004 mit – vorher gab es keine für das damals neu eingeführte Fach – aus dem bisherigen Fach „Angewandte Informatik“ aus dem Profilbereich wurde das Fach „Informatik“. „Wir haben die Chance genutzt, das, was uns zur Verfügung stand, in einen Lehrplan zu gießen und mit informatischen Inhalten anzureichern.“ Sprich: Den Rahmen für den Schulunterricht möglichst aktuell und weit zu gestalten, so dass der Unterricht immer auf dem Stand der Zeit sein kann. „Einen Lehrplan kann ich weit auslegen, er ist immer dynamisch“, erklärt Thomas Knapp. „Es sollte aber, wie an unserer M.I.T.-Schule, immer ein passendes schulisches Konzept dahinter stehen, das man in die Praxis umsetzen kann.“

 

Auch Lehrbuch-Autor und Mitentwickler von Lehrmaterialien für Informatik wurde Thomas Knapp Anfang der 90er-Jahre beiläufig: „Wir waren das erste Bundesland, das Informatikunterricht als Pflichtfach eingeführt hat. Wir hatten die Chance, den Unterricht zu etablieren, aber es gab noch keine entsprechenden Materialien.“ Er ist Mitautor des in mehreren Bänden erschienenen Lehrbuches „Informatik und Alltag“. Auch am aktuellen Werk „Grundlagen der Informatik“ schrieb er mit. 2019 verließ Knapp mit seinem letzten Buch und mit seiner Mitautorin Katrin Büttner das schulisch-informatische Feld. Die beiden verfassten das Sachbuch für Kinder und Jugendliche „Nachrichten verschlüsseln für Dummies Junior“.

 

Informatiklehrer Thomas Knapp erklärt einem Schüler einen 3D-Drucker

Thomas Knapp engagiert sich innerhalb und außerhalb der Schule für die informatische Bildung. Den Unterricht ganz aufzugeben, käme für ihn dennoch niemals in Frage. Foto: David Schuster

Außerschulisches Engagement macht den Unterschied

Das Engagement für die informatische Bildung innerhalb der Schulen, an denen er unterrichtete, ist ein Schwerpunkt von Thomas Knapp; das außerschulische Engagement der andere, nicht weniger wichtige. Knapp ließ sich immer wieder teilabordnen – als Referent am Lehrer-Trainings- und Beratungszentrum für neue Medien und Telekommunikation (LTBZ), als Lehrbeauftragter für die Didaktik der Informatik am Staatlichen Seminar für das Lehramt an Mittelschulen Dresden, als Ausbilder für Lehrer in Fachdidaktik der Informatik im Regionalschulamt Dresden. Er qualifizierte sich zum Promotor für das Lernen mit mobilen Endgeräten. Wer, wenn nicht Thomas Knapp, wäre ein besserer Promotor für lebenslanges Lernen und die Weiterentwicklung im Beruf? Insbesondere dieses weit über den eigenen Schulhof hinausragende Engagement würdigte die Jury des Ursula Hill-Samelson-Preises.


Thomas Knapp wäre nicht er selbst, wäre er nicht auch Mitglied der Fachgruppe „Informatische Bildung in Sachsen und Thüringen“ (IBiSaTh), die genau eben diese fördert. Außerdem unterstützt er am Medienpädagogischen Zentrum (MPZ) in Meißen andere Schulen bei der iPad-Administration. „Für mich ist das eine Win-win-Situation. Ich gebe meine Erfahrungen weiter und kann von Entwicklungen in der Praxis andernorts für meine Schule profitieren.“


Engagement? Immer gerne. Aus dem Unterricht ganz herausgehen? Niemals!

Denn bei allem Engagement und übergreifenden Aufgaben wolle er an seiner Schule „nie ganz aus dem Unterricht herausgehen. Man kann so gemeinschaftlich arbeiten, die Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen mitziehen und mitnehmen. Eine M.I.T.-Schule funktioniert nur, wenn sie von allen gelebt und Informatik nicht als Nischenfach gesehen wird. Das verlangt viel Koordination und Absprache.“

 

Gefragt für die Zukunft: praxisnähere Studiengänge

Der Berufsausstieg mag am Horizont langsam sichtbar werden, „auch wenn ich noch nicht so richtig dran glauben kann.“ Doch noch ist Thomas Knapp als Motor der Informatikbildung aktiv und wie eh und je ein wichtiger Impulsgeber. Was wünscht er sich für die Zukunft? Für die Studierenden, die angesichts des Lehrerinnen- und Lehrermangels als Informatiklehrer an die Schulen in Sachsen gehen werden? Thomas Knapp bleibt seinem Lebensthema treu: „Ich wünsche mir praxisnähere Studiengänge, die auf die Bedürfnisse der Schulen zugeschnitten sind.“

 

Großes Potenzial für die Digitalisierung – und als Lehrkraft in MINT-Fächern

Studierende sowie angehende Lehrkräfte in MINT-Fächern – in Mathematik, Naturwissenschaft, Informatik und Technik (MINT) – sollten ein starkes Interesse an ihren Fächern mitbringen und sich auf die Herausforderungen des Lehrerberufes gut vorbereiten, rät Knapp. „Ich sehe trotz aller Schwierigkeiten ein großes Potenzial in der Digitalisierung. Deshalb wünsche ich mir genug Personal an den Schulen, um diesen Prozess adäquat zu begleiten.“ Thomas Knapp ist selbst das beste Beispiel dafür, dass der Lehrerberuf keineswegs auf eingetreten Pfaden verlaufen muss, sondern immer wieder neue Abzweige und Wendungen nehmen kann.

 

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