Mit über 40 Jahren noch einmal einen Neustart wagen – das trauen sich nicht viele. Mike Heinrich hat es getan und nach vielen Jahren im Beruf noch einmal ein Studium zum Lehramt an berufsbildenden Schulen aufgenommen. Seit ein paar Monaten befindet er sich nun im Vorbereitungsdienst und hat uns von seinen Erfahrungen berichtet.
„In Mathematik war ich mit Abstand der Älteste“, erzählt Mike Heinrich über sein spät aufgenommenes Studium und ergänzt direkt, dass er zu seiner ehemaligen Lerngruppe trotzdem immer noch ein enges Verhältnis pflegt. Ein paar seiner jüngeren Kommilitonen hätten ihn direkt zu Beginn des Studiums angesprochen und „das rechne ich den Leuten hoch an!“ Diese Offenheit im Studentischen, dass ein 20-Jähriger einen 40-Jährigen anspricht, habe Heinrich sehr begeistert.
Mike Heinrich ist inzwischen 50 Jahre alt und befindet sich seit ein paar Monaten in seinem Vorbereitungsdienst zum Lehramt an berufsbildenden Schulen. Vorher hat er viele Jahre als Zimmermann auf der Baustelle gearbeitet. Zunächst als Geselle, wenig später absolviert er die Handwerksmeisterausbildung, arbeitet weiter in Führungsposition auf Baustellen. Diese aber sind für seine Gesundheit nicht das Ideal, die Rentenversicherung rät Mike Heinrich zur Umschulung. Also schaut er sich um, entscheidet sich für den Bautechniker.
Zwei Jahre lernt Heinrich in Vollzeit an der Fachschule: „An der Schule habe ich mich auch aufgrund meiner Erfahrungen sehr wohlgefühlt. Teilweise habe ich in den Klassen sogar die Hilfslehrerrolle angenommen und versucht, meinen Erfahrungsschatz zu teilen.“ Bei den Lehrerinnen und Lehrern der Fachhochschule kommen Heinrichs Herangehensweise und seine Offenheit gut an – Lehrer, sagen sie, das wäre doch ein ziemlich passender Beruf für ihn.
Lehrer, das wär’s doch
Heinrich überlegt zu dem Zeitpunkt ohnehin, in welche Richtung es gehen soll. Also informiert er sich, wie der Weg wohl aussehen würde. Ohne ein abgeschlossenes Studium allerdings, gibt es keine Möglichkeit des Seiteneinstiegs, denn um Lehrer zu sein, braucht man einen Hochschulabschluss. „Dann hab‘ ich mir gesagt: Na gut, ein Studium im Leben kann man mal gemacht haben. Probierst du‘s mal.“
Das war vor sechs Jahren, Heinrich ist da 44 Jahre alt. Die Reaktionen in seinem Umfeld sind durchwachsen: Relativ viele Leute bekräftigen ihn, einige Leute können den späten Berufswechsel auch nicht nachvollziehen. „Aber man muss die Entscheidung eben für sich selbst treffen“, findet Heinrich. Nicht nur möchte er gerne einmal das Studium kennenlernen, er will sich auch selbst beweisen, dass er das packt, ein Studium. Also schreibt er sich 2016, mit 44, an der TU Dresden ein, nimmt das berufsbildende Lehramtsstudium für Bautechnik und Mathematik als Zweitfach als Vollzeitstudium auf.
Finanzielle Stabilität dank Stipendium
Leisten kann sich das Mike Heinrich zum einen, weil er vor dem Studium „recht fleißig war und sich ein paar Rücklagen bilden konnte“, wie er sagt. Zum anderen findet er mit dem Aufstiegsstipendium des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein perfekt auf ihn zugeschnittenes Stipendium: Sein spannender Lebenslauf mit dem späten Karrierewechsel, dazu sein gesellschaftliches Engagement in diversen Vereinen und Gremien seines Heimatorts Pennrich qualifizieren ihn neben weiteren Kriterien wie einer abgeschlossenen Berufsausbildung, Berufserfahrung und einer Studienzugangsberechtigung besser als 2,0.
Über diese verfügt Heinrich glücklicherweise dank des Abschlusses der Meisterschule bzw. auch durch die Fachschule, denn „ich glaube nicht, dass ich mein Abitur noch in der Abendschule nachgeholt hätte“, wie er es einschätzt.
Das Stipendium macht finanziell einen großen Unterschied. Doch noch etwas hilft ihm: Er lernt in diesem Rahmen weitere Leute kennen, die mit vergleichbaren Qualifikationen einen ähnlichen Weg wie er gehen: „Wenn man sich mit Leuten in einer ähnlichen Situation unterhält, dann macht das schon Mut.“ Dabei hatten zumindest im Studiengang der beruflichen Bildung schon viele einen beruflichen Hintergrund. Die meisten in Form einer Ausbildung, an die sie nach ein, zwei Jahren das Studium anschließen – gerade im Bereich Gesundheit und Pflege. So alt wie Mike Heinrich war dennoch kaum jemand.
Zum Glück hatte ich meine Lerngruppe, sagt Mike Heinrich
Anschluss findet Heinrich trotzdem schnell: Seiner Lerngruppe sei es in Teilen auch zu verdanken, dass er das Studium überhaupt gepackt habe, sagt er. Gerade das Mathematik-Studium hatte es nämlich ganz schön in sich: Die ersten Module des Mathestudiums Analysis und lineare Algebra – „zwei ganz schöne Brocken“ – finden in großen Vorlesungen von 300 bis 400 Menschen gemeinsam mit den Mathematik-, den Physik- und drei Händen voll Lehramtsstudierende statt. „Da sitzen dann all die Mathe-Nerds und dementsprechend ist das Niveau der Vorlesung.“ Obwohl Mathematik ihm schon immer liegt, „hat es im Studium zwischendurch echt ein bisschen wehgetan“, sagt er nun erleichtert lachend, „gut, dass wir diese Lerngruppe hatten.“
Aus der Lerngruppe hat sich über die Zeit des Studiums ein echter Freundeskreis entwickelt. „Das ist so wichtig, das kann ich jedem nur empfehlen, sich so früh wie möglich mit anderen zusammen zu tun und Lerngruppen zu bilden. Zum einen aus fachlicher Sicht, weil man sich gegenseitig ergänzt, aber auch motivatorisch. Jeder hat mal ein Loch und sagt, ich schmeiß hin und dann fangen die Anderen einen auf.“
Ein klares Ziel im Blick: voll ausgebildeter Lehrer in 2024
Die anderen Module hat Heinrich dagegen als wesentlich angenehmer wahrgenommen. Im Sommer 2022 besteht er nach sechs Jahren Studium sein erstes Staatsexamen. Seit ein paar Monaten befindet er sich nun in seinem Vorbereitungsdienst am Berufsschulzentrum Pirna. Zwar habe er zu Beginn aufgrund der Entfernung und weil er in Dresden gut vernetzt ist, mit dem Standort Pirna gehadert, die Schulleitung aber kam dem engagierten Lehrer sehr entgegen, sodass er einige Aufgaben auch im Homeoffice erledigen kann. „Aus meiner Sicht bietet das Berufsschulzentrum Pirna außerdem ziemlich gute Bedingungen“, findet Mike Heinrich.
Da er seinen Vorbereitungsdienst in 24 statt in 18 Monaten absolviert, hofft er nun im Sommer 2024 sein Zweites Staatsexamen zu bestehen, um dann voll ausgebildeter Lehrer für Bautechnik und Mathematik zu sein. A propos Mathematik: Eins wurmt Mike Heinrich noch immer. In einer Vorlesung äußerte ein Dozent einmal, Mathematik müsse wehtun, sonst sei es nicht Mathematik.
Dabei wolle Heinrich als Lehrer doch genau das Gegenteil vermitteln. So wie seine Mathelehrerin in der 6. Klasse: „Sie hat mein damaliges Bild von Mathematik verändert und sie ist immer noch ein kleines Stückchen ein Vorbild für mein Selbstverständnis als Lehrer. Sie hat die Klasse mitgenommen. Wenn ich daran anknüpfen kann, ein paar vielleicht sogar für Mathe begeistern und bei manchen zumindest die Abneigung nehmen kann, dann habe ich schon so viel erreicht, wie ich mir nie hätte träumen lassen.“