Lausitz: Region in Deutschland zwischen Brandenburg und Sachsen, landschaftlich geprägt durch Flüsse und Seen, historisch geprägt durch die sorbische Kultur. Hier im Landkreis Bautzen liegt der kleine Ort Laske, in dem die 25-jährige Lehramtsstudentin Lydia Mattick geboren und aufgewachsen ist. Wir haben sie zum Interview getroffen und gefragt, was die Sorbin mit ihrer Heimat verbindet, wie sie durch ihre Herkunft geprägt wird und warum sie Sorbisch und Geschichte auf Lehramt studiert.
LEHRERIN SACHSEN: Liebe Lydia, du kommst aus der Lausitz, bist dort geboren und aufgewachsen. Wie würdest du deine Heimat beschreiben?
Lydia: In der Lausitz geht es sehr familiär und trotzdem bunt zu: Jeder kennt jeden, man fühlt sich verstanden und akzeptiert und es gibt viele gemeinsame Projekte. Schon deshalb komme ich immer wieder gerne in meine Heimat zurück.
LEHRERIN SACHSEN: Du hast als Kind eine sorbische Grund- und Mittelschule und als Jugendliche ein sorbisches Gymnasium besucht. Wie präsent war die sorbische Sprache und Kultur für dich in diesen Schulen?
Lydia: Sehr präsent! Fast alle Schülerinnen und Schüler und fast alle Lehrerinnen und Lehrer waren sorbische Muttersprachler. Abgesehen davon, dass wir mindestens zweimal in der Woche sorbischen Unterricht hatten, haben wir auch untereinander auf dem Schulhof sorbisch gesprochen.
LEHERERIN SACHSEN: Und wie präsent ist die sorbische Sprache und Kultur für dich heute im Alltag in der Lausitz?
Lydia: Das kommt ganz darauf an, wo man lebt. Die Lausitz erstreckt sich über zwei Bundesländer, Brandenburg und Sachsen, und die Region selbst gliedert sich in die Ober- und die Niederlausitz. In der ländlichen Oberlausitz wird im Alltag noch viel Sorbisch gesprochen und sorbische Traditionen gepflegt. In den Städten wie Kamenz, Bautzen oder Hoyerswerda hingegen ist die Alltagssprache inzwischen eher deutsch.
Wieder anders verhält es sich in der Niederlausitz: Hier wird im Alltag eher wenig Sorbisch gesprochen, aber auch hier werden sorbische Bräuche und Traditionen noch stark gepflegt. Sorbisch ist hier eher Zweit- als Muttersprache.
LEHRERIN SACHSEN: Wie lebst du beziehungsweise deine Familie die sorbische Sprache und Kultur?
Lydia: Wir sprechen zu Hause sorbisch. Außerdem pflegen wir in unserem Dorf die sorbischen Traditionen im Jahreslauf, wie zum Beispiel das Maibaumaufstellen oder die traditionellen Osterbräuche. Zu besonderen Festtagen tragen wir die sorbisch-katholische Tracht. Der katholische Glaube und die sorbische Tradition bilden eine Art Symbiose. Außerdem sind viele Mitglieder der sorbischen Volkstanzgruppe Schmerlitz – auch ich.
LEHRERIN SACHSEN: Erzähl uns davon!
Lydia: Die Tanzgruppe besteht seit 1964 und wir treffen uns jeden Samstag mit dem gemeinsamen Ziel, die sorbische Folklore zu erhalten. Mit unseren Tänzen stellen wir sorbische Traditionen tänzerisch dar – das stärkt automatisch den Wunsch, die wunderschönen sorbischen Lieder und Melodien zu erhalten und weiterzugeben.
Wem das altmodisch vorkommt: Das ist es nicht! Unser Choreograf Herr Wendisch versucht, die Tradition mit modernen Tanzeinflüssen neu zu interpretieren.
LEHERIN SACHSEN: Wie kann man sich das vorstellen?
Lydia: Wir versuchen, neue Tanzelemente oder auch slawische Tanzstile mit unseren traditionellen Elementen zu mischen und so Moderne und Folklore zu verbinden. Wir tanzen übrigens nicht nur in der Lausitz! Jedes Jahr machen wir eine Auslandstournee und treten auf verschiedenen Folklorefestivals auf. Sogar in Peru waren wir schon! Dieses Jahr geht es nach Serbien oder Korea und in der Lausitz haben wir unser eigenes Folklorefestival in Crostwitz.
LEHRERIN SACHSEN: Über deine Heimatregion hinaus engagierst du dich auch in Leipzig für die sorbische Sprache und bist Mitglied des sorbischen Studentenvereins „Sorabija Lipsk“. Erzähl uns mehr darüber!
Lydia: Die Studentenverbindung besteht seit 1716 und ist die älteste in Leipzig. Wir haben 65 Mitglieder und bieten ihnen unter anderem Wohnraum mit eigenem Klubraum. Wir sind offen für Sorben und Nicht-Sorben, aber die Sorben sind in der Überzahl. Natürlich haben wir auch ein geheimes Aufnahmeritual! (lacht).
Besonders bekannt sind wir bei allen Studierenden durch unseren Faschingsverein, der 1980 gegründet wurde und jedes Jahr im Februar eine Faschingsfeier mit einem Motto und einem abwechslungsreichen Programm veranstaltet.
LEHERIN SACHSEN: Und was ist euer Ziel?
Lydia: Die sorbische Kultursprache auch außerhalb der Heimat zu pflegen und zu leben, aber auch anderen näher zu bringen. Wir pflegen unsere Traditionen auch in Leipzig, indem wir z. B. die Kirmes feiern oder einen Maibaum aufstellen.
LEHRERIN SACHSEN: Was gefällt dir an der sorbischen Sprache und Kultur besonders?
Lydia: Die sorbischen Trachten! Ich trage sie allzu gerne und kann mich mittlerweile sogar selbst einkleiden – das habe ich von meiner Oma gelernt!
Aber auch die sorbischen Volkslieder gehören für mich unbedingt dazu: Auf fast jedem Dorffest werden sie irgendwann angestimmt. Sie haben einen einfachen Klang und wiederholen sich im Text – so reißen sie alle mit! Wenn die Stimmung dann richtig kocht, wird oft Polka dazu getanzt. Das macht einfach Spaß!
LEHRERIN SACHSEN: Mit welchem Klischee über Sorbisch möchtest du aufräumen?
Lydia: Dass die sorbische Sprache tot ist. Denn sie lebt – vor allem das Obersorbische!
LEHRERIN SACHSEN: Kommen wir zu deiner Berufswahl. Du studierst im 10. Semester Oberschullehramt in den Fächern Geschichte und Sorbisch an der Universität Leipzig. Warum möchtest du Lehrerin werden?
Lydia: Ich habe ein großes Ziel vor Augen: das Sorbische zu erhalten. Es ist zwar noch sehr lebendig, aber vom Aussterben bedroht. Deshalb habe ich mir die Frage gestellt: Wie kann man eine aussterbende Sprache und Kultur erhalten? – Indem man sie an die jungen Generationen weitergibt und die Geschichte der Sorben vermittelt.
Außerdem wurde mir schon während meiner Schulzeit immer wieder zurückgemeldet, dass ich Sachverhalte gut erklären kann und meine Vorträge wurden oft gelobt. Wann immer ich konnte, habe ich meinen Mitschülerinnen und Mitschülern geholfen und da war mir klar, dass der Lehrerberuf eine gute Wahl für mich ist.
LEHRERIN SACHSEN: Warum hast du dich für die Schulform Oberschule entschieden?
Lydia: Das hatte vor allem praktische Gründe: Auf dem Land gibt es viele gute Oberschulen, so auch in meiner Heimatregion. Und da ich dorthin zurückkehren möchte, lag die Wahl dieser Schulform quasi auf der Hand.
Außerdem gibt es nur zwei sorbische Gymnasien: eines in Bautzen und eines in Cottbus. Diese sind aber bereits gut mit jungen Lehrerinnen und Lehrern mit meiner Fächerkombination versorgt.
LEHRERIN SACHSEN: Du konntest bereits praktische Erfahrungen im Unterrichten sammeln. Was war dein bisher schönstes Erlebnis?
Lydia: Als ich gemerkt habe, dass es bei den Schülern „Klick“ macht. In meiner 2. Stunde Sorbisch als Fremdsprache in einer 10. Klasse z. B. entstand plötzlich ein „Inside-Joke“ zwischen einer Schülerin und mir auf Sorbisch. Da habe ich gemerkt, dass sich meine Vorbereitungen gelohnt haben und ich etwas vermitteln konnte.
LEHRERIN SACHSEN: Zum Schluss: Welche Art von Lehrerin möchtest du werden?
Lydia: Ich möchte in meinem Unterricht Spiel und Struktur verbinden, immer ein offenes Ohr haben, freundlich und motivierend sein. In meinem Unterricht soll gemeinsam gelacht und gelernt werden!